Dvorak 5 Sinfonie

Antonín Dvořák: 5. Sinfonie

Obwohl Antonín Dvořáks Sinfonien allesamt als Meisterwerke und Meilensteine der Musik des 19. Jahrhunderts gelten sollten, steht bis heute vor allem seine 9. Sinfonie im Mittelpunkt der öffentlichen Meinung und Diskussion. Sie gilt als eine der am häufigsten aufgeführten Sinfonien überhaupt. Dabei spiegelt sie nicht Dvořáks musikalische Entwicklung über sein Leben hinweg wider, sondern verkörpert vielmehr ein Paradebeispiel vollendeter künstlerischer Reife – etwas, das seine fünfte Sinfonie noch nicht leisten kann.

Vielleicht verdient gerade diese deshalb mehr Aufmerksamkeit: „Sie sollte viel besser bekannt sein, denn sie ist ein Ohrenschmaus für den Musiker sowie faszinierender Vorbote der letzten vier Sinfonien“, fasst das Prager Tagblatt am 26. März 1879 – einen Tag nach der Uraufführung der fünften Sinfonie in der Hauptstadt – zusammen.

Wahrscheinlich empfand Dvořák selbst diese Sinfonie noch nicht als ausreichend ausgereift, um sie zu veröffentlichen. Möglicherweise hatte er sie auch nur aus privatem Anlass zur Geburt seines Sohnes komponiert. Erst durch den Einfluss von Johannes Brahms und Eduard Hanslick – die ihn 1874 in einem österreichischen Wettbewerb für mittellose Komponisten unterstützten – verkaufte Dvořák seine fünfte Sinfonie 1888 an den Bonner Verleger Simrock. Dieser veröffentlichte sie, trotz Dvořáks Protest, unter der Bezeichnung 3. Sinfonie in F-Dur, op. 76, da es die dritte Sinfonie war, die er von Dvořák verlegte.

Spätestens mit dieser Veröffentlichung wurde das internationale Publikum auf das Werk aufmerksam: „Das Publikum nahm das Werk mit Wohlwollen, aber ohne begeisterten Jubel auf – man spürte hier den Wandel zu Dvořáks eigenständigem Stil.“ (Prager Tagblatt) Dieser eigenständige Stil zeichnete sich weniger durch publikumswirksame Effekte oder musikalische Floskeln aus, sondern durch eine tiefgründige und ernsthafte Auseinandersetzung mit dem musikalischen Material – etwas, das auch international anerkannte Komponisten wie P. Tschaikowsky bemerkten. In einem Brief vom 27. März 1888 lobte Tschaikowsky Dvořák und schrieb: „[…] dass (er) sehr froh und glücklich (war, seine) wertvolle Freundschaft gewonnen zu haben. […] Das Orchester in London […] spricht oft von dir und deiner Sinfonie, die mit Ungeduld erwartet wird.“

Begonnen am 15. Juli 1875, stellte Dvořák die fünfte Sinfonie innerhalb von nur 38 Tagen fertig. Noch vor der Fertigstellung widmete er sie dem deutschen Dirigenten und Pianisten Hans von Bülow und schickte ihm erste Skizzen. In seiner Antwort lobte Bülow ihn als „den nächsten Brahms, gottbegnadeten Tondichter der Gegenwart“. Er bedankte sich für die Widmung und schrieb, er schätze sie mehr als „irgendein Großkreuz seitens irgendeines Fürsten“.

Schon ab dem ersten Ton ist der idyllisch-ruhige Einfluss des damaligen Böhmens zu hören – Dvořák komponierte die Sinfonie während der Sommermonate auf seinem Landsitz in Vysoká. Dass er sich immer wieder gerne aus dem bürgerlichen Leben zurückzog, um zu komponieren, schilderte auch Jan Hertan (1860–1943), zeitlebens Oberwildhüter in Vysoká, in zahlreichen Briefen an seine Familie: „Die Dvořáks hatten ständig Besuch […] es war sehr lustig und laut, und dann verschwand er normalerweise in den Wäldern, um Ruhe und Frieden zu finden.“

Hertan berichtete nicht nur über Dvořáks Verbundenheit zur Natur, sondern auch über dessen Faszination für Vögel, die er auf dem Landhaus sogar selbst züchtete: „[Er besuchte] auf seinen Spaziergängen regelmäßig den Wald und Park, früh am Morgen […] er war immer überrascht, dass wir alle (noch) schlafen, wenn die Drosseln ihr Morgenkonzert über unseren Köpfen geben.“

Die Intimität und Ruhe, die Dvořák während seiner Arbeit dort genoss, verliehen der Sinfonie den Beinamen Pastorale. Diese Bezeichnung verwenden Komponisten für Werke, die durch ländlich-idyllische Programmatik ein idealisiertes Hirtenleben charakterisieren.

Wie beharrlich Dvořák an seinen Kompositionen arbeitete, lässt sich bereits in seiner fünften Sinfonie hören. Sie „zeigt eine bemerkenswerte Reife des Formenaufbaus und einen absolut persönlichen Ton.“ (Prager Tagblatt)

Ob Dvořák sich seiner eigenen Entwicklung bewusst war oder nicht – sein enger Freund Josef Kovartk berichtet in seinen Memoiren von Dvořáks ungewöhnlicher Leidenschaft: „Der Meister […] geriet sofort in schlechte Laune, wenn er arbeitslos war. […] Doch kaum war die zukünftige Arbeit entschieden, […] achtete er nicht, ob sich die Erde von Ost nach West umkehrte […]. Wenn seine Arbeit zufriedenstellend verlief, sagte er: ‚Er hat etwas bewirkt‘ – dann war er in besonders guter Laune.