Anton Tanonov

A. Tanonov: Divertimento

Mit seinem „Divertimento“ aus dem Jahr 2024 präsentiert der Komponist Anton Tanonov ein vielschichtiges Werk, das traditionelle Form mit zeitgenössischem Ausdruck verbindet. Der Begriff „Divertimento“ (ital. für „Unterhaltung“) verweist ursprünglich auf eine leicht zugängliche, oft heitere Gattung der Kammermusik des 18. Jahrhunderts. Tanonov hingegen erweitert diese Ideeum emotionale Tiefe, orchestrale Farbenpracht und dramatische Kontraste.

Das Werk ist in mehreren Abschnitten durchkomponiert und beginnt in einem ruhigen Largo, das sich durch fein abgestimmte Dynamik und kammermusikalische Transparenz auszeichnet. Besonders markantist die expressive Verwendung von Schlag-werk, Celesta und Harfe, die der Musik eine mystisch-schwebende Klangwelt verleiht. Im weiteren Verlauf wird das musikalische Geschehen dichter und kontrastreicher:   komplexe rhythmische Strukturen,   überraschende harmonische Wendungen und expre-ssive Tutti-Passagen prägen den dramatischen Mittelteil.

Charakteristisch für Tanonovs Stil ist die Verbindung von spätromantischem Ausdruck mit modernen Spieltechniken – so etwa die bisbigliando-Anweisungen in den Streichern oder der Einsatz ungewöhnlicher Klang-farben wie Flexaton oder Drum Set im Orchester. Besonders auffällig sind Momente satztechnischer Dichte, in denen Clusterartige Klangballungen der Bläser sich mit rhythmisch punktierten Gesten der Streicher verweben.

Obwohl der Titel eine gewisse Leichtig‐keit suggeriert, entwickelt das „Divertimento“ im Verlauf eine dramatische Erzählkraft – Momente tiefer Melancholie, eruptiven Ausbrüchen und einem fulminanten, beinahe grotesken Finale. Tanonovs Komposition ist somit alles andere als bloße Unterhaltung: Sie ist eine kalei-doskopartige Reise durch Klang und Emotion, die gleichermaßen fordert und begeistert.

Anton Tanonov wurde am 9. Mai 1977 in Gorki (heute Nischni Nowgorod) geboren und begann im Alter von sechs Jahren mit dem Musikunterricht. Er erhielt seine Ausbildung an der Musikschule des Sankt Petersburger Konservatoriums und schloss 2000 dort sein Kompositions-studium bei Sergej Slonimski ab. 2003 folgte ein Aufbaustudium im selben Fach. Von 2000 bis 2002 leitete Tanonov die Schule für elektronische Musik „Itirō Hatayama“ kommissarisch. Seit 2003 ist er als Dozent am Sankt Petersburger Konservatorium tätig, wo er unter anderem Instrumentations-lehre, Orchestrierung, Komposition und Musiktechnologie und MIDI-Programmierung unterrichtet. Seit 2012 leitet er die Abteilung für Komposition und Improvisation und hat dort neue Fächer wie Jazz-Improvisation  Filmmusik und elektronische Komposition etabliert. Seit 2017 ist er musikalischer Leiter des Theaters „LDM. Neue Bühne“, seit 2018 zudem Direktor der St. Petersburger Sektion des russischen Komponistenverbands. Anton Tanonov war als Komponist und Kurator bei zahlreichen Festivals zeitgenössischer Musik aktiv. Seine symphonischen Werke wurden unter anderem in der Großen Halle des Moskauer Konservatoriums sowie in Philharmonien in Moskau, Sankt Peters‐burg, Nowosibirsk und Kasan aufgeführt. Auch im Musiktheater ist Tanonov erfolgreich: Zu seinen Bühnenwerken zählen der Ballett-Einakters „Nacht im Museum“ sowie die Musicals „Der Meister und Margarita“,„Dämon Onegins“, „Oscar und die Dame in Rosa“ und „Lolita“.